KENIAREISE, Jänner 2009
Von 28. Dezember bis 19. Jänner haben wir eine interessante und auch abenteuerliche Zeit in Kenia verbracht.
Wir haben viel erlebt, viel gesehen, Schönes und Erschreckendes und die Erinnerung daran wird uns sicher ein Leben lang begleiten.
Wir waren die ersten 4 Tage in Mtwapa, wo wir seit vergangenem Jahr im Rahmen der „Helfenden Hände“ das Schulprojekt des Mtwapa Children Centre unterstützen. In Kenia sind die langen Ferien im Dezember bis Mitte Jänner (für die älteren Schüler bis Anfang Februar). In dieser Zeit wurde das Schulgebäude "renoviert", dh. frisch ausgemalt, geputzt, neues Schulmaterial wurde gekauft... und wir konnten unseren Augen kaum trauen, so viele Fortschritte gab in den letzten 2 Jahren. Alles ist frisch und sauber, sehr einfach an unseren Verhältnissen gemessen, aber Luxus im Vergleich zu dem, was uns in der folgenden Woche erwartete.
Am 2. Jänner um 4 Uhr Früh machten wir uns auf den langen Weg zum Viktoriasee, in einem Privatauto, das ziemlich klapprig war. Pastor Okoth entschied am Abend vorher, uns doch nicht zu begleiten, weil er sich nicht stark genug fühlte - eine weise Entscheidung. Sein Bruder George war unser Begleiter und Fahrer.
Die nächsten 28 Stunden verbrachten wir zunächst im Auto, das uns bis ca. 150 km nach Nairobi brachte, dann eine Panne im Massai-Land, Abschleppen, Reparatur und ein neuer Anlauf. Um 23 Uhr neuerliche Panne, 3 Stunden Schlafversuch im Auto, dann ein Fußmarsch um einen Bus Richtung Viktoriasee zu finden. Nach 3x Umsteigen und einer Reise auf unbeschreibbaren Straßen kamen wir um 8 Uhr in Homa Bay an.
Dusche, Frühstück im erstaunlich schönen Hotel... und dann machten wir uns auf den Weg ins Dorf Omoya (die wohlgemeinte, zwangsverordnete Ruhepause lehnten wir strikt ab). Vor 2 Jahren hatten wir in Mtwapa Pastor Mark kennen gelernt, der die kleine Gemeinde in Omoya leitet.
In einer wunderschönen, grünen Landschaft erwarteten uns große Armut, viel Leid und Krankheit. Die Kinder der Gemeinde begrüßten uns im Gemeindehaus mit Liedern und hungrigen Bäuchen, viele hatten seit 2 Tagen nichts mehr gegessen. Wir baten die Frauen des Dorfes, im Anschluss zu kochen, 5 Euro reichten für Fladenbrot und Tee mit viel Milch und Zucker. Auch am nächsten Tag sollten die Kinder eine Mahlzeit bekommen.
Wir wurden zu vielen Hütten geführt, hörten Berichte von Witwen mit kleinen Kindern über die Umstände ihres Lebens... wir konnten unsere Tränen nicht zurückhalten. Für den Zustand der Schule finden wir keine Worte...
Die Zukunftsaussichten sind schlecht, die Aussaat, die in den nächsten Wochen in die kleinen Felder gesät werden sollte, wurde gegessen....
Ein wenig Hilfe konnten wir im Dorf lassen - persönlich für die armen Familien. Die Frauen konnten ihr Glück gar nicht fassen, einen Geldschein in der Hand zu halten - für manche wohl das erste Mal im Leben. Pastor Mark bekam eine kleine Summe, um bei Härtefällen schnell helfen zu können.
Den nächsten Tag verbrachten wir im Dorf Ndisi, der Heimat von Pastor Oktoth. Eine Schweizerin, Elsy Amsler, hat dort ein kleines Erstversorgungsspital und eine Schule errichten lassen. Trotzdem fehlt es an allem.... Hunger auch dort, so viele Waisenkinder, Witwen durch Aids, schlammiges Wasser, Kinder mit aufgeblähten Bäuchen durch Eiweissmangel... wir verteilten Kleidung, Süßigkeiten, Geld und Pakete mit Lebensmitteln. Ein 14-jähriger Junge bat uns, für ihn zu beten - auf einem Auge ist er durch Parasitenbefall blind, am anderen sieht er bereits verschwommen. Kinder, die ohne Schuhe am Erdboden sitzen (und auch am nackten Boden schlafen), leiden unter Parasitenbefall ihrer Füße, diese brechen zu Geschwüren auf und werden einfach weggefressen. Nach einem langen Tag konnten wir uns kaum mehr auf den Beinen halten, so viel Elend, Krankheit und Not.. ..wie viel davon kann man an einem Tag ertragen, wenn man aus Europa kommt?
Danach 2 Tage Warega, wieder eine wunderschöne, grüne Landschaft. In der Nähe ist eine Zuckerfabrik, die Felder sind voll Zuckerrohr.... und es fehlt der Mais für die hungrige Bevölkerung.
Seit 2000 gibt es das "Warega Center", eine Schule für arme Kinder und Waisen, die ebenfalls von Elsy Amsler gebaut und der Dorfgemeinschaft zur Führung übergeben wurde. Zwischen 150 und 200 Kinder der Umgebung besuchen dort die Schule, ihre einzige Chance auf Bildung. Mittags bekommen sie ein Essen - Maisbrei - und das ist für die meisten auch die einzige Nahrung für den Tag. Der Mais wird von der Dorfgemeinschaft gespendet.
17 Kinder (2-15 Jahre alt) sind Waisen ohne Verwandschaft oder eine Person, die für sie sorgt... und so schlafen sie alle am Boden der kleinen Kochhütte. Jeweils eine Frau aus dem Dorf übernimmt es, die Nacht bei ihnen zu verbringen.
Die Schule ist arm, aber die Lehrer sind engagiert. Sie borgen jeweils ein Buch, aus dem sie vortragen, von einer anderen Schule. Dieses Buch wird dann an die Schüler weiter gegeben, die, einer nach dem anderen, die Texte, Beispiele und Angaben abschreiben. Auch in Warega konnten wir ein wenig helfen, wir hatten Geld vom Weihnachtsmarkt und ein paar kleinere private Spenden.
Es gab ein Festmahl.... Fladenbrot und Bohnen, Tee mit Milch und wieder viel Zucker, wir kauften Seife, Waschseife, Paraffin für die Lampen, Zündhölzer, verteilten Kleidung und Handtücher. Für die 8 Klassen gab es Geld für jeweils 3 Schulbücher, die Prüfungsgebühren und für Lebensmittel. Ein ganz wichtiges Anliegen war uns, dass die Kinder mehr Eiweiss bekommen - aber die Dorfbewohner haben nichts anderes als Mais.
Mit 2 der Schüler der 8. Klasse, die uns beim Unterricht aufgefallen waren, hatten wir ein längeres Gespräch. Beide haben bereits die Prüfung für die High School mit sehr gutem Erfolg abgelegt, aber da sie Waisen sind, haben sie niemanden, der Schulgeld bezahlt. So besuchen sie nochmals die 8. Klasse, weil es für sie kein Zuhause und keine Arbeit gibt. Wir versprachen ihnen, nach Paten zu suchen, die sie im nächsten Jahr unterstützen und ihnen so den weiteren Schulbesuch ermöglichen. Das gab den beiden viel Hoffnung.
Die Lebensumstände der Waisenkinder im Warega Center machten uns tief betroffen. Eine Hütte mit 2 kleinen Schlafsälen und einem Zimmer für die Betreuerin wären dringend nötig. Zur Schule gehöriges Land gibt es genug.
Nach 2 Tagen in Warega ging es zurück nach Homa Bay, das Auto schaffte gerade noch die letzten Meter den Berg hinauf, hinunter zur Busstation mussten wir bereits rollen..... Die nächste Reparatur war fällig. George musste um einen Ersatzteil nach Nairobi... und so bestiegen wir zusammen den Nachtbus. Eine Schilderung würde zu weit führen... Das Motto war am Bus gedruckt "Resting on the everlasting arms".. und das brauchten wir auch!! Umsteigen in Nairobi nach Mombasa und Mtwapa, wo wir am Abend ankamen.
Nach einem Ruhetag ging unser Programm weiter: wir besichtigten ein Stück Land, auf dem ein neues Schulgebäude gebaut werden soll, soferne Geld vorhanden ist; wir trafen Nancy, eine junge Kenianerin, der durch eine Patenschaft aus Finnland der Schulbesuch ermöglicht wurde und die jetzt eine ausgebildete Sozialarbeiterin ist (allerdings ohne Arbeit); wir trafen einige der älteren Patenkinder, erledigten Bankgeschäfte und hin und wieder fanden wir die eine oder andere Stunde, in der wir zum Strand gingen.
Wir besuchten viele Familien, zum Teil weit von der Schule entfernt im Busch, wir überbrachten Geschenke von den Paten, kauften Nahrungsmittel und wir lernten auch Connie kennen, eine Frau aus Deutschland, die einige Kilometer von Mtwapa entfernt im Busch eine ähnliche Schule aufgebaut hat.
Dann fing das Schuljahr wieder an. Eine ganze Anzahl der Kinder war noch nicht aus den Ferien zurück (in Kenia wird über Neujahr die Verwandtschaft besucht, man bleibt einige Wochen dort und kommt erst zurück, wenn die Buspreise nach der Hauptreisezeit wieder billiger geworden sind!!!!). Leider sind einige der Patenkinder übersiedelt und besuchen nun nicht mehr das Zentrum. Es gibt im Moment viele Gründe, einen Ortswechsel vorzunehmen: Vor einigen Jahren, als der Tourismus blühte, kamen Scharen von Menschen aus dem Landesinneren an die Küste, um dort in einem der Hotels Arbeit zu finden. Jetzt sind die Touristen ausgeblieben, viele der Hotels sind geschlossen und unter der Bevölkerung macht sich Hoffnungslosigkeit breit. Viele beschließen, in ihre angestammten Dörfer zurückzugehen, wo sie immerhin in der Geborgenheit einer Großfamilie wohnen können, nicht auf sich allein gestellt sind und wenigstens ein kleines Feld für den Maisanbau zur Verfügung haben. Andere, die die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben haben, suchen billigere Unterkünfte – Mtwapa ist ein teures Pflaster.
Zur Situation in der Schule: Die 3. und 4. Grundschulklasse benutzen den Gottesdienstraum als Klassenzimmer, für die 1. und 2. Klasse wurde als Übergangslösung ein Gebäude mit 2 Klassenzimmern angemietet (doch die Kosten betragen 150 Euro pro Monat). Die Kindergartenkinder und die vielen Vorschüler benutzen das "alte" Gebäude, das vor vielen Jahren von einer Gruppe aus Deutschland gespendet wurde. Durch diese Aufteilung konnten die hohen Schülerzahlen in den Klassen gesenkt werden bzw. jede Klasse hat einen eigenen Raum zur Verfügung (ausgenommen 3.,4.)
Pastor Dicksons Frau, die das Zentrum gemanagt hat, ist Mitte Dezember an einem akuten Nierenversagen gestorben. Dem Pastor selbst geht es schlecht, er ist immer wieder im Krankenhaus.
Die Schulverwaltung wird von Judith, einer tüchtigen, liebevollen 61-jährigen Witwe geführt, die sich auch um die Pflegekinder des Pastors kümmert. Eine Mammutaufgabe... und so haben wir ihr Nancy, die junge Sozialarbeiterin, zur Seite gestellt. Für die nächsten 2 Monate haben wir ihr ein kleines Gehalt privat vorausbezahlt und sie wird sich darum kümmern, dass Judith nicht überbelastet wird und wir hier die nötigen Informationen bekommen.
Wir werden sehen, wie sich die Dinge weiterentwickeln, wie es dem Pastor geht. Wir können nur warten, hoffen und beten, dass alles gut weiterläuft.
Vielen Dank für all die Hilfe und die Unterstüzung, die wir in den Wochen vor Weihnachten von einer Anzahl von Paten bekommen haben und danke auch für das große Interesse an den neuen Projekten. Gerne schicken wir auch weitere Informationen zu oder auch Fotos. Bitte einfach melden....